„Im Tod nicht spurlos verschwinden”

Obdachlose Menschen

Namenlos ist keiner der Toten auf   Flur 27 des Südfriedhofs. Dafür sorgt Thomas Kremer mit der Interessen- gemeinschaft "Bestattung obdach-  loser Menschen". (Foto: Hermans)

Eine Interessengemeinschaft setzt sich für würdevolle Bestattung obdachloser Menschen ein. Der Bestatter Thomas Kremer, auch Vorstandsmitglied des Katholiken-ausschusses, hatte sie mit Pfarrer Johannes Quirl von der Gemeinde St. Severin und Pater Karl-Heinz Kreutzmann von der Herz-Jesu-Gemeinde ins Leben gerufen.

Vor dem Haupteingang des Südfried- hofs in Zollstock kommt es am morgigen Donnerstag wieder zu einer eigentümlichen Versammlung. Schon die Terminankündigung hatte ihren ganz eigenen Charakter: "

In der vergangenen Woche haben wir den einarmigen Günter begraben, am 18. Februar um 10 Uhr ist Ingo mit den Igelhaaren an der Reihe." Mit diesen Worten informierte Schwester Franziska, die Obdachlosenseelsorgerin des Bistums, unlängst Freunde und Bekannte über den Bestattungstermin eines verstorbenen Wohnungslosen. "Auf der Platte gibt es ja einige Leute, die Günter oder Ingo heißen, und die Nachnamen kennt kaum jemand. Da helfen nur solche Beschreibungen weiter", erklärt die Franziskanerin.

Gegen diese Namenlosigkeit richtet sich auch die Interessengemeinschaft "Bestattung obdachloser Menschen", die 1997 gegründet wurde. Der Bestatter Thomas Kremer, auch Vorstandsmitglied des Katholikenausschusses, hatte sie mit Pfarrer Johannes Quirl von der Gemeinde St. Severin und Pater Karl-Heinz Kreutzmann von der Herz-Jesu-Gemeinde ins Leben gerufen. "Es geht darum, dass verstorbene wohnungslose Menschen, die schon im Leben kaum eine Spur hinterlassen haben, wenigstens im Tod nicht spurlos verschwinden", erklärt Kremer. Denn nach dem Tod von Obdachlosen ist es häufig schwierig, etwas über ihre Angehörigen in Erfahrung zu bringen. Die müssen laut Gesetz die Kosten für die Bestattung übernehmen, zumindest wenn es ihnen finanziell möglich ist und sie es nicht aus schwerwiegenden persönlichen Gründen ablehnen. Doch wenn keine Verwandten ausfindig gemacht werden können, bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen. "Deshalb entscheidet sich die Verwaltung natürlich für die preisgünstigste Lösung, und das ist nun mal eine Urnenbestattung auf einem anonymen Gräberfeld", so Kremer.

Weil für ihn aber ein Grabstein mit Inschrift "zur Würde eines toten Menschen" gehört, hatte er mit Rückendeckung der katholischen Gemeinde St. Severin und Herz Jesu ein Areal auf Flur 27 des Südfriedhofs für die Bestattung Obdachloser angekauft. Etwa 25 Wohnungslose würden dort jährlich begraben. Die Stadt trägt weiterhin die Kosten für Krematorium, Gottesdienst und Verwaltungsaufwand, und die Interessengemeinschaft, zu der mittlerweile auch der evangelische Pfarrer Hans Mörtter gehört, sorgt dafür, dass die Verstorbenen Grabsteine erhalten. Kremer hatte im Gespräch mit Obdachlosen zunächst modernere Stelen mit Namensschildern vorgeschlagen. Doch die Zielgruppe erwies sich als konservativ: "Sie wollten unbedingt Grabsteine. Aber das kann relativ preiswert sein, indem man zum Beispiel die Grabplatte eines alten Grabes nimmt, dessen Nutzungsdauer abgelaufen ist", erläutert der Bestatter. "Der Stein würde normalerweise zerkleinert, die Reste im Straßenbau verwendet. Man kann den Stein aber auch umdrehen, also die Seite, auf der ein Name eingraviert ist, nach unten legen, und dann auf der noch freien Seite neue Namen einmeißeln lassen." Auf Flur 27 sind immer gleich mehrere Namen von Bestatteten auf einer Grabplatte verewigt.

Auch die Kosten für Pflege und Unterhaltung der Gräber müsse der Verein natürlich tragen, jährlich würden insgesamt rund 25 000 Euro benötigt. Da ist man auf Spenden angewiesen. Erst kürzlich hat die evangelische Kirchengemeinde Lindenthal einen Scheck über 1500 Euro überreicht.

Bei der Pflege der Gräber helfen auch die Obdachlosen selbst mit, allerdings ohne übermäßige Begeisterung. "Reihum ist immer eine andere Einrichtung für Wohnungslose dran", berichtet Schwester Franziska. "Meist gehen so zwei, drei mit."

Thomas Kremer hat beobachtet, dass die Gräber der Obdachlosen häufiger besucht werden als andere. Allerdings sind die Trauernden ein wenig auffälliger und treten oft in Gruppen auf: "Die bringen im Sommer zum Beispiel zum Beispiel eine Gitarre mit und setzten sich vor den Grabstätten ins Gras." Das wiederum hat Friedhofsbesucher, deren Angehörige in unmittelbarer Nachbarschaft bestattet sind, wiederholt irritiert: "Die haben da ziemlich hektisch eine Hecke hochgezogen."

Quelle: www.rundschau-online.de, Artikel von Hans-Willi Hermans, 17.02.10